Zito Marx - Salto Musicale

BlogWarts Corner #5

BlogWarts Corner #5

Na, mal wieder schön am 1. April verarscht worden???

Ist nicht schlimm. Das passiert anderen auch, und zwar ständig (zumindest einmal im Jahr)!


So wie hier (aus dem Buch "Nach Diktat verreist"):


APRILSCHERZ

Woher der Brauch genau kommt, ist nicht ganz klar, es gibt verschiedene Erklärungen des Zeitpunkts und des Grundes. Eigentlich ist es auch nur mittelmäßig interessant, jedenfalls ist es nicht lustig. Für den aktuellen Brauch spielt es auch keine Rolle. Es hat sich aber gezeigt, dass ein gewisses Maß irgendwo zwischen Realsatire und völliger Absurdität einen wirklich guten Aprilscherz ausmacht.

Es darf nicht völlig offensichtlich sein, aber eben auch nicht so krude, dass man es als völlig spinnert abtut.
Es ist schwer, das alles halbwegs systematisch zu ordnen. Das wäre sicherlich auch der falsche Ansatz. Immerhin gibt es diesen Brauch nicht erst seit letzten Donnerstag. Aber er ist fester Bestandteil der »Kommunikationskultur« geworden. Oft wird er in einer Mixtur mit einer Art von Ausbildungsinitiationsritus verwendet. Es kann also durchaus vorkommen, dass der AZUBI im Supermarkt an der Fischtheke der verdutzten Bedienung erklärt, er möchte die vorbestellten »Aalbeine« abholen. Handelt es sich um ein Handwerk, wird er gern in den Baumarkt gejagt, um sich auf die Suche nach einem »Gegengewicht für die Wasserwaage« zu machen. Immer wieder gern verwendet wird auch der Auftrag an den AZUBI, in der nahegelegenen Apotheke ein Fläschchen »Ibidium« zu kaufen. Nur wer damit schon mal verarscht wurde, weiß, dass das eigentlich für »Ich bin dumm« stehen soll. Der Gag ist quasi zeitlos und die gute Laune des Ausbilders garantiert.

Aber auch die Medien sind nicht untätig. Ein echter Klassiker ist die Reportage der BBC über den »Spaghetti-Baum« zum »April Fool's day« aus dem Jahr 1957 geworden. Zahlreiche Zuschauer riefen danach an und wollten wissen, wie man das pflanzt, hegt und pflegt. Für viel größere Irritationen sorgte die Ankündigung, dass nunmehr in ganz Großbritannien der Rechtsverkehr auf allen Straßen eingeführt würde. Nur auf bestimmten Straßen wäre in der Tat schon wieder zu absurd gewesen.Wenig später wusste die englische Zeitung »Independent« davon zu berichten, dass man jetzt sein eigenes »Viagra« zuhause anbauen könne. Wie praktisch.

In Australien wurde vor ein paar Jahren mit völlig emotionsloser Stimme im Radio darüber berichtet, dass eine Abordnung der katholischen Kirche mit einem Gremium des größten Schwulenverbandes jetzt eine gemeinsame Politik betreiben wolle. So etwas hätten hier wahrscheinlich katholisch durchsetzte Rundfunkräte verhindert. Denn da hört der Spaß auf!
Aber trotzdem sind auch die meisten »Meldungen« hierzulande ziemlich komisch. Sport und Politik gehen eigentlich immer! So wurde vor einigen Jahren kolportiert, dass der englische Sänger Elton John den Fußballclub Borussia Mönchengladbach gekauft habe. Das war zwar ziemlicher Quatsch, aber eben nicht völlig undenkbar, weil er zu dieser Zeit bereits Eigentümer des Londoner Vorstadtclubs FC Watford war.

Man muss aber fairerweise sagen, dass sich auch die Deutschen - entgegen dem internationalen Klischee - alles andere als humorfrei zeigen, zumindest wenn es um den 1. April geht. Denn noch bevor der offenbar ziemlich durchgeknallte Walter Freiwald durch das »Dschungelcamp« 2015 seine zweifelhafte »Prominenz« neben noch viel unbekannteren Kandidaten ein wenig aufbesserte, wurde bereits von einigen Jahren berichtet, er würde den »ZDF-Fernsehgarten« aka »Geronten-OpenAir« übernehmen. Das war vorstellbar. Ein Kabinett des Grauens ist es allerdings auch mit Andrea Kiewel!
Es eröffnet sich das große Feld der Politik. Da von irgendwelchen Hinterbänklern oder vom Generalsekretär der CSU, Andreas Scheuer, laufend unfassbare Bemerkungen kommen, die nicht am 1. April getätigt werden, ist die Schmerzgrenze beim Bürger relativ hoch. So sollte Karl-Theodor zu Guttenberg angeblich mal Oberbürgermeister von München werden. Den Bayern ist zwar fast alles zuzutrauen. Aber dafür hätte er in der Tat das falsche Parteibuch gehabt. Den »OB« in München stellt seit vielen Jahren die SPD.

Auch die Ankündigung, es gäbe eine ARD-Spendengala zur Rettung der FDP, war zwar ganz putzig. Aber es fehlte wohl nicht am Geld, eher an Personal, für das man sich nicht fremdschämen muss. Und weil das Amt des Bundespräsidenten nach den letzten Jahren ziemlich beschädigt wurde, sagte man auch Joachim Gauck Rücktrittsabsichten nach. Der Freiheit wegen.
Der hohen Politik ist mittlerweile fast alles zuzutrauen. So war auch die vermeintliche Forderung nach einer »Raucher-Plakette« erst einmal gar nicht so abstrus. Wirklich lustig war der »Vorschlag«, für Hartz-IV-Empfänger vom Arbeitsamt einen Kaufladen mit Plastikessen aufzubauen, an dem geübt werden kann. Die Partei »Die Linke« hat vermutlich geschäumt vor Wut.
Da in Berlin bekanntlich außer Kaffeemaschinen wenig läuft, ist das Einfallstor für seltsame Falschmeldungen recht groß. Denn als der Hype um den Eisbär Knut am größten war, sollte seine Silhouette auf die Berliner Flagge. Zumindest war das am 1. April die »Breaking News«. Nicht erst seit der »Rüthli-Schule« ist Berlin-Neukölln in vieler Munde. Dazu passte irgendwie die Nachricht, dass »Neuköllnisch« Unterrichtsfach werden sollte, Das muss man sich mal rein phonetisch vergegenwärtigen: »Ey du opfa…mir und misch verwechsel ich nisch, das kommt bei mir nisch vor, ich sag zu disch, komm her zu misch, isch sag disch was ins Ohr!«

Da Berlin eigentlich ständig klamm ist, um nicht zu sagen »hoffnungslos pleite«, war die folgende Meldung erst einmal nicht besonders überraschend: »Berlin versilbert Straßen- und Platznamen, indem sie an Unternehmen verkauft werden.« So wahnsinnig ungewöhnlich war das erst einmal nicht. Immerhin wird das ständig bei irgendwelchen Fußballstadien oder Mehrzweckhallen gemacht. Aber als der Artikel dann etwas konkreter wurde, konnte das nur mit dem 1. April zu tun haben. Denn neben einigen Beispielen, die zumindest noch halbwegs nachvollziehbar waren, sollte die U-Bahnstation »Onkel-Toms-Hütte« in »Uncle-Bens-Tüte« umbenannt werden. Das ging dann doch ein bisschen zu weit!
Schön war auch die Nachricht, dass beim »Highfield-Festival« angeblich Öl gefunden wurde, so dass dort nicht mehr geraucht werden darf. Explosionsgefahr!
Fast friedvoll nehmen sich dagegen die »Nachrichten« aus, dass Gruner & Jahr das Magazin »Titanic« übernehmen wolle und das Kraftfahramt in Flensburg demnächst insgesamt 60.000Punkte erlässt. Eine angebliche Amnestie für Verkehrssünder.

Wieder ist ein 1. April ins Land gezogen. Besonders auffällige Nachrichten gab es diesmal nicht. Nur, dass Til Schweieiger jetzt Sprecher bei der Tagesschau wird und das Internet voll ist! So ein Mist! Was mache ich denn jetzt?



Bücher:

Salto Musicale, Roman 2012
Gib Pfötchen, Arschloch!, Erzählungen 2013
Phase C, Roman 2014
Nach Diktat verreist, Essays, 2015